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Flanieren zwischen öder Hochglanz-Fassade und Nazikunst!
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David Mehlhart
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Dass Salzburg ein teures Wohnpflaster ist gilt als bekannt. Aber auch außerhalb der eigenen vier Wände ist nicht alles eitel Wonne. Mit dem Verlassen der privaten Wohnung betritt man den öffentlichen Raum. Dieser sei — so in der abstrakten und idealtypischen Vorstellung — jener Ort, der gerade für demokratische Gesellschaften von zentraler Bedeutung ist. Prallen doch dort, wie schon einst auf der Agora im antiken Athen, die Argumente der politischen Diskussion aufeinander und die Bürger*innen treten in Widerstreit. Kurzum: dieser Raum, auf dessen Nutzung jeder und jede ein Anrecht hat, ist nicht unumstritten. Mit Blick auf die Stadt Salzburg lässt sich dies an zwei Beispielen verdeutlichen.
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Als der ÖVP-Bürgermeister Harald Preuner noch in Amt und Würden war lehnte dieser ein Public Viewing anlässlich der diesjährigen Fußball-Europameisterschaft kategorisch ab. Schon seit der Heim-EM 2008 wurde keines mehr in der Landeshauptstadt ausgerichtet. Der Grund dafür ist, dass man sich ansonsten mit den Proben für den Jedermann in die Quere kommen würde. Wie so oft behalten die Festspiele die Oberhand in der Stadt. Dieses Beispiel soll nicht als billige Polemik dienen, die sich der Polarität „feinsinnige Hochkultur“ versus „stumpfem Fußball-Trara“ bedient, sondern aufzeigen, dass im öffentlichen Raum immer mehr die simplen Spielregeln der hiesigen Politik gelten: wer zahlt schafft an!
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Was hier im Kleinen exerziert wurde steht stellvertretend für einen Trend, den man global beobachten kann. Vormals öffentliche Flächen, Straßen und Gassen werden sukzessive eingeschränkt. Sei es durch eine Gestaltung, die ein Verweilen direkt unbequem macht — man denke an den heiß-staubigen Residenzplatz mit seinen äußerst unbequemen Sitzbänken — oder durch eine stete Privatisierung. Ganze Innenstadtviertel werden Investor*innen übereignet. Diese, um im Jargon zu bleiben, „entwickeln“ den vormals öffentlichen Raum dann zu einer kitschigen Hochglanzversion seiner selbst. Maßgebenden Kriterium ist hierbei, das Ermöglichen von friktionslosem Konsum und ein reisekatalogtaugliches Erscheinungsbild.
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Hitlers Lieblingsbildhauer
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Dass der öffentliche Raum und dessen ästhetische Ausgestaltung auch einen kommunikativen Zweck verfolgt und sich damit hervorragend Propaganda betreiben lässt, wussten auch schon die Nationalsozialisten. 1943 engagierten die Nazis Josef Thorak, ein Bildhauer mit Wurzeln in Salzburg und von Adolf Hitler persönlich hochgeschätzt, den frühneuzeitlichen Arzt Paracelsus aus Untersberger Marmor zu schlagen. Die Statue sollte Teil eines zu errichtenden Brunnens im Festspielbezirk sein. Offensichtlich wurde aus dem Plan der Neugestaltung nichts. Und die grobschlächtige neobarocke Paracelsus Statue verschwand daraufhin in der Versenkung?
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Falsch gedacht. Seit 1950 kann die Statue, geschaffen von einem der bestbezahlten Bildhauer der NS-Zeit, im Kurgarten, unweit des gleichnamigen Hallenbades, „bewundert“ werden. 2018 wurde zwar eine Erklärtafel montiert. Eine breite Diskussion analog zu den belasteten Straßennamen unterblieb aber bis dato. Wer sich schon immer einmal im Schatten einer Skulptur eines Nazi-Bildhauers ein Eis essen wollte, hat in Salzburg nach wie vor die Chance dazu.
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Infobox
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- Bei Kontra.com handelte es sich um ein 2006 veranstaltetes Kunstfestival in der Stadt Salzburg. Dabei wurden quer durch den öffentlichen Raum Installationen, Skulpturen, Plakate, usw. präsentiert. Den dabeigewesenen Salzburger*innen dürfte wohl der umgedrehte Helikopter am Residenzplatz bestens in Erinnerung sein. Erwartungsgemäß war den Salzburger*innen das Festival eine Spur zu modern und avantgardistisch und stieß deshalb nicht auf viel Gegenliebe. Der Schweizer Christoph Büchel initiierte etwa als Kunstaktion ein Bürgerbegehren. Dieses schlug mit 40.000 zu Buche. Kosten, die von der Stadt zu stemmen waren. Der damalige Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) quittierte dies gegenüber der APA so: „Die Kosten werde ich Kontra. com weiterverrechnen, und dann will ich von dem Festival nie wieder etwas hören“.
- Im Nachgang zu Bernhard Gwiggners Kunstwerk „GegenSetzung“ entstand die Publikation „Josef Thorak. Hitlers Lieblingsbildhauer und sein Bezug zu Salzburg“. Erschienen 2016 beim Verlag Tandem in Salzburg. Die Texte steuerten Hildegard Fraueneder und Susanne Rolinek bei.
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