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Mangelnde Basisbildung:
Ein verdrängtes soziales Problem
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Rund 15 von 100 Erwachsenen haben Probleme, wenn es um Lesen, Schreiben, Rechnen oder den Umgang mit digitalen Geräten geht. Hochgerechnet sind das im Bundesland Salzburg rund 60.000 Personen. Wer denkt, es handle sich dabei vorrangig um Zugewanderte oder Geflüchtete, irrt: Die allermeisten haben das österreichische Pflichtschulsystem durchlaufen.
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Analphabetismus? Ja eh, die aus Ostanatolien zugewanderte Oma, die aus Somalia geflüchtete Frau. Auch wenn es diese Klischees gibt: Tatsächlich sprechen die allermeisten Menschen mit mangelnder Basisbildung – beim Lesen oder Schreiben, bei fehlender alltagsmathematischer oder digitaler Kompetenz – Deutsch im Alltag. Die große Mehrheit hat das Pflichtschulsystem hinter sich gebracht. Genau deshalb und wegen seiner oft stigmatisierend wirkenden Bedeutung wird der Begriff „Analphabetismus“ in der Erwachsenenbildung nicht mehr verwendet.
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Die Folgen bei Defiziten in der Basisbildung reichen von der Speisekarte, die nicht verstanden wird, bis zur Nicht-Inanspruchnahme sozialer Unterstützung, weil das Formular nicht ausgefüllt werden kann. Beruflich bleiben die Menschen meist in schlecht bezahlten Hilfsarbeiterjobs hängen oder werden überhaupt aussortiert. Dazu kommt die Scham, mangelnder Selbstwert, der bis zu psychischen Erkrankungen führen kann.
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Wie mangelnde Lese-, Schreib-, Rechen-, Digitalkompetenz entsteht, ist gar nicht so einfach zu erklären: Die Ursachen sind vielfältig. Neben Krankheit oder Sucht sind es oft auch desolate Familienverhältnisse oder soziale Deklassierung. Und wie die Menschen durch das Schulsystem gekommen sind, versteht man noch schwerer. Kurz gesagt: Es wird schon ziemlich viel und oft weggeschaut hierzulande.
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Das Phänomen ist komplex. Einfache Lösungen gibt es nicht. Wenn die Schriftstellerin Mareike Fallwickl in einem Video als Botschafterin der Basisbildung von „unfairen und verkrusteten Strukturen im Bildungssystem“ spricht, hat sie zwar recht, aber eben nur teilweise. Dass hier dringender Handlungsbedarf besteht – Stichwort Klassengröße, Einzelförderungen oder auch Ausbildung der Lehramtsstudenten und -studentinnen in Sachen Basisbildung – ist unbestritten. Ebenso unbestritten ist, dass Basisbildungsangebote, die quasi nachträglich versuchen, die Defizite zu „reparieren“, äußerst notwendig sind und weiter ausgebaut gehören.
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Alles auf die Schule oder die Erwachsenenbildung abzuwälzen, greift allerdings zu kurz. Ein Beispiel: In Frankreich gibt es Basisbildungs-Programme für Firmen und die dort Beschäftigten. Das ist kein Selbstzweck. Mangelnde Basisbildung ist ja auch eine enorme Ressourcenverschwendung – besser gebildete Beschäftigte erhöhen die Produktivität. Um es sehr stark vereinfacht zu sagen: Ein Lagerarbeiter, der die Regalbeschriftung auch lesen kann, sortiert die Ware schneller ein.
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Basisbildung auf die Tagesordnung
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Dem Grundverständnis nach stimmt es aber schon, was Mareike Fallwickl meint: Hierzulande ist das Bildungssystem derart verknorpelt, dass das Thema Basisbildung an sich selten bis gar nie auf die Tagesordnung kommt. Lieber beschränkt man sich auf die Alimentierung jener, die es eben nicht geschafft haben. Dass so – neben den entstehenden sozialen Problemen – auch viele gesamtgesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten auf der Strecke bleiben, wird vielfach einfach nicht verstanden. Immerhin geht es um – österreichweit gesehen – fast eine Million Menschen im erwerbsfähigen Alter.
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In der neuen Werkspost spricht Thomas Neuhold mit Anna Stiftinger von abc-Salzburg.
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- Laut Statistik Austria haben 17,1 Prozent der 16- bis 65-jährigen in Österreich lebenden Menschen eine geringe Lesekompetenz. Fehlende Basisbildung meint aber auch eine geringe alltagsmathematische Kompetenz: Hier schneiden 15,9 Prozent der Erwachsenen schlecht ab und bei der digitalen Kompetenz sind 15,5 Prozent nicht in der Lage, einfache Dinge zu erledigen. Alle diese Daten sind freilich mit Vorsicht zu genießen, sie sind über zehn Jahre alt. Aktuellere Daten sollen demnächst veröffentlicht werden.
- Zur Begriffsklärung: Basisbildung ist jener Bereich der Erwachsenenbildung, wo Grundkenntnisse in den Bereichen Deutsch (Lesen, Schreiben, Hören, Sprechen), Alltagsmathematik sowie der Umgang mit digitalen Geräten erlernt, erweitert oder aufgefrischt werden können.
Im Rahmen einer Bund-Länder-Vereinbarung werden diese Kurse – finanziert vom Europäischen Sozialfonds, dem Bildungsministerium und den Ländern – kostenlos angeboten.
- In Salzburg ist das Basisbildungszentrum abc-Salzburg der größte Anbieter für kostenlose Basisbildungskurse für Erwachsene. Das abc wurde 1999 als Verein gegründet; heute ist das abc eine gemeinnützige GmbH. Aktuell finden an den Standorten Stadt-Salzburg und Bischofshofen insgesamt 32 Ganzjahreskurse mit rund 170 Teilnehmern und Teilnehmerinnen statt. Weitere Infos: abc-salzburg.at
- Neben dem abc gibt es kostenlose Basisbildungskurse am BFI, im Bildungszentrum Saalfelden, beim Verein Einstieg, beim Verein Viele, in der Volkshochschule und im SOS-Kinderdorf.
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