Werkspost – der politische Salzburg-Kommentar
Umgang mit Krisen

Kinder- und Jugendarbeit in Kriegszeiten: Ängste nehmen -

nicht nutzen

Die Anzahl an Kriegen und Krisen nahm in der vergangenen Zeit zu – ebenso wie die Ängste von Kindern und Jugendlichen. Wer meint, dass die Politik sich deshalb automatisch um mehr Prävention bemüht, irrt sich. Das kann weitreichende Folgen mit sich bringen.
Eine Werkspost von:

Konstantin Schätz

24. Juli 2024
„Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid.“ Dieses Zitat stammt nicht etwa aus der Feder eines berühmten Philosophen, Politikers oder Widerstandskämpfers. Es ist ein Satz, der in der Filmreihe Star Wars fällt. Das grüne Männchen Yoda sagt diesen Satz über einen kleinen verängstigten Jungen, dessen Furcht im weiteren Verlauf der Filmreihe viel Leid verursachen wird.

Dass Angst ein schlechter Wahl- und Entscheidungshelfer ist, ist bekannt (an den Wahlentscheidungen Vieler ändert diese Erkenntnis dennoch oft nichts). Dass Angst aber ein noch schlechterer Erzieher von Kindern und Jugendlichen ist, darauf weisen diverse Studien hin. Alarmierend war die deutsche „GUCK-Hin“-Studie aus dem Jahr 2023. Die Psychologin Tanja Michael stellte zusammen mit ihrem Team fest, dass 54 Prozent der Kinder und Jugendlichen klinische Angstsymptome aufweisen. 41 Prozent berichten sogar über Depressionssymptome. Der Grund: Die Angst vor Krisen und Kriegen und der Blick in die Zukunft.

Für Hans Peter Graß, Leiter des Friedensbüros in Salzburg ist klar: seine Arbeit ist und bleibt wichtig. Denn die Liste an krisenhaften Ereignissen ist in der jüngsten Vergangenheit länger geworden. Mit diversen Initiativen klärt das Friedensbüro deshalb Kinder und Jugendliche auf. Sie sprechen mit ihnen über Ängste und wirken gesellschaftlichen Spannungen entgegen. Frieden sei – so heißt es auf der Website– ein Prozess und kein Zustand. Das bedeutet eine ständige Anstrengung, die aber nur erfolgen kann, wenn Vereine, NGOs und Initiativen finanzielle Unterstützung erhalten.

Der Politik kommt eine zentrale Rolle zu
Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hängt damit auch von dem Wohlwollen der regierenden Parteien ab. Seit die neue Landesregierung aus ÖVP und FPÖ in Salzburg im Amt ist, befürchtet Hans Peter Graß, dass das Verhältnis zwischen Einrichtungen wie seiner und der Politik „fragiler“ geworden sein könnte. Zwar würden wichtige Verhandlungen zwischen dem Friedensbüro und der schwarz-blauen Landesregierung noch ausstehen. Dass Graß aber mit dieser Einschätzung recht behalten könnte, legt das Schicksal um die Initiative „Heroes – Gegen Unterdrückung im Namen der Ehre“ nahe.

Das Projekt wurde im Jahr 2017 von „Akzente Salzburg“ ins Leben gerufen und richtete sich vor allem an junge Männer mit Migrationshintergrund. Ziel war es, ein offeneres Weltbild zu vermitteln, ihnen Themen wie Gleichberechtigung nahezubringen und ihnen einen verantwortungsvollen Umgang mit „Ehre“ und „Stolz“ zu vermitteln. Seit Anfang Juli ist bekannt, dass die Landesregierung die Finanzierung des Projekts einstellt. Erfolge seien nicht greifbar oder messbar gewesen, hieß es vage von der FPÖ.

Eine Aufstellung, welche Projekte die Landesregierung in dem Bereich der Kriegs- und Krisenprävention für Kinder und Jugendliche fördert und wie viel Geld sie investieren, blieb das Bildungs- und Gesundheitsressort von Daniela Gutschi (ÖVP) schuldig. Sicher ist aber, dass unabhängig von parteipolitischer Ausrichtung Initiativen zur Bewältigung von Ängsten ein Pflichtprogramm sein müssen. Zu vielen Politikerinnen und Politikern ist diese Erkenntnis längst durchgedrungen. Insbesondere aber die FPÖ nutzt häufig Ängste für sich. Denn Furcht mag zwar kein guter Wahlhelfer sein, aber ein wirkungsvoller. Durch ein ehrliches Engagement in diesem Bereich könnte die Partei beweisen, dass es ihnen nicht nur um billigen Wählerfang geht. Denn möchte man Studien und dem kleinen grünen Jedi-Ritter Yoda Glauben schenken – und das sollte man – führt Furcht zu Wut und Wut zu unsäglichem Leid.

In der neuen Werkspost Podcast spricht Konstantin Schätz mit Hans Peter Graß vom Friedensbüro Salzburg.

Infobox:
  • Durch soziale Medien sind Kinder und Jugendliche häufig mit Bildern und Videos aus Kriegsregionen konfrontiert. Insbesondere die Algorithmen von TikTok begünstigen die Verbreitung von Inhalten aus Krisengebieten. Denn die Macher:innen benötigen keine hohe Follower:innenanzahl, damit ihre Videos viel gesehen werden. TikTok löschte allein in den ersten sechs Monaten nach den Anschlägen am 07. Oktober 2023 8,6 Millionen Videos mit gewalttätigem Inhalt.
  • Verschiedene Studien belegen die negativen Auswirkungen der aktuellen Krisen und Konflikte auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen. Laut der GUCK-hin-Studie (Generation Ukrainekrieg Covid-19 Klimawandel) weisen 54 Prozent der befragten Jugendlichen klinisch auffällige Angstsymptome auf. Sie äußerten Zukunftsängste. Die Trendstudie „Jugend in Deutschland“ zeigt, dass 70 Prozent der 14- bis 29-Jährigen Angst vor einem Krieg in Europa haben. In Österreich belegen Erhebungen von SORA und der ÖGKJP diese Entwicklung hierzulande.
  • Das Friedensbüro Salzburg wurde 1986 gegründet. Es entstand im Rahmen der Proteste gegen das Wettrüsten im Kalten Krieg. Heute entwickelt das Friedensbüro zahlreiche Bildungsangebote zu Gewaltprävention, ziviler Konfliktbearbeitung und Politischer Bildung und ist Ansprechpartner für Menschen, die sich für sozialen und globalen Frieden und gegen den Krieg engagieren.

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