Werkspost – der politische Salzburg-Kommentar
Renaturierung

Für mehr Vielfalt in Feld und Flur!

Flächen natürlicher zu gestalten, ist essenziell für eine klimafitte Zukunft. Trotzdem wollten die meisten Landesregierungen, auch in Salzburg, das EU-Renaturierungsgesetz blockieren. Das Gesetz ist lediglich das Mindestmaß weitsichtiger Klimapolitik.
Eine Werkspost von:

Flora Platzer

04. September 2024
Nach drei Jahren Verhandlung ist das EU-Renaturierungsgesetz Mitte August in Kraft getreten. Österreich war das Zünglein an der Waage. Umweltministerin Leonore Gewessler von den Grünen stimmte im EU-Ministerrat dafür. Die ÖVP reichte eine Klage wegen Amtsmissbrauchs ein und kündigte eine Nichtigkeitsklage gegen das Gesetz an. Warum? Zum einen herrscht Nationalratswahlkampf, zum anderen liege die Zustimmung in einer rechtlichen Grauzone.

Für Naturschutz sind in Österreich die Bundesländer zuständig. Diese sprachen sich 2022 und 2023 gegen das Gesetz aus. Einheitliche Länderstellungnahmen zu EU-Gesetzen, die Bundesländer betreffen, sind für Minister:innen bindend. Allerdings hat sich seitdem nicht nur das Gesetz, sondern auch die Meinung der Landeshauptleute von Wien und Kärnten geändert. Diese sprachen sich nämlich im Mai für das Gesetz aus.

Stimmenfang statt Information
Das Gesetz gibt lediglich Ziele vor. Für Umsetzung und Bürokratie sind die Länder verantwortlich. Enteignungen, wie auch von der Salzburger FPÖ behauptet, sind nicht vorgesehen. Die freiwillige Teilnahme der Landwirt:innen wird ausdrücklich betont. Viele Agrarförderungen können angerechnet werden. Zwei Jahre hat die Regierung Zeit, Wiederherstellungspläne zu erarbeiten, die von der EU teilfinanziert werden. Werden Ziele nicht erreicht, müssen die Pläne nachgebessert werden.

Im Gegensatz zu vielen bisherigen Gesetzen wird ein Zeitrahmen gesetzt. Bis 2030 sollen unter anderem auf 30% der Naturlebensräume in Österreich, die in einem schlechten Zustand sind, Wiederherstellungsmaßnahmen stattfinden. Die Flächen wurden vor 30 Jahren in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie definiert. Natura-2000-Gebiete haben Vorrang. Für die nächsten Pläne wurden Ziele bis 2050 festgelegt.

Auch bisher kaum naturschutzrechtlich geregelte Ökosysteme wie Stadt-, Land- und Forstwirtschaftsflächen sind umfasst. Die gesamte Grünfläche aller Städte eines Landes soll bis 2030 nicht weniger werden. Auf 30% der landwirtschaftlich genutzten Moorböden soll bis 2030 Wiederherstellung passieren. Davon soll ein Viertel wieder vernässt werden, denn Moore sind extreme Kohlenstoffspeicher. In Flüssen angebrachte künstliche Hindernisse, die nicht mehr gebraucht werden, sollen entfernt werden. Natürlichere Flussläufe helfen gegen Überschwemmungen, Dürren und Hitzewellen.

Obwohl Landwirtschaftskammern gegen das Gesetz wetterten, ist Renaturierung gerade für Bäuer:innen und Bauern unumgänglich und bei schweren Krisen kann das Gesetz für Landwirtschaftsflächen ausgesetzt werden. Renaturierung ist nicht gleich die Stilllegung landwirtschaftlicher Flächen, sondern schafft gesunde Ökosysteme, die widerstandsfähiger sind. Wirklich gefährlich, nicht nur für die Ernährungssicherheit, ist unser enormer Bodenverbrauch von 13 Hektar pro Tag. In Salzburg waren 2022 bereits 20% der für Landwirtschaft geeigneten Flächen versiegelt.

Jährliche Unwetter zeigen, welche enormen Schäden der Klimawandel hinterlässt. Laut einer EU-Wirkungsanalyse ist der Nutzen von Renaturierungsmaßnahmen zwölf Mal höher als die Kosten. Hätten ÖVP und FPÖ den Ernst der Lage erkannt, würden sie sich für das Renaturierungsgesetz einsetzen. Stattdessen lieber mit unwahren Gerüchten Wähler:innenstimmen zu fangen, ist mehr als realitätsfremd.

In der neuen Werkspost spricht Flora Platzer mit Winfrid Herbst, Vorsitzender des Naturschutzbunds.

Infobox:
  • Renaturierung definiert das deutsche Umweltministerium als die Rückführung geschädigter Ökosysteme in einen naturnahen Zustand.
  • 80% der geschützten EU-Lebensräume und 80% der durch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geschützten Arten in Österreich sind in keinem guten Zustand. Österreich hat keinen vollständig naturbelassenen Fluss mehr und 90% der ursprünglichen Moorfläche wurde stark beeinträchtigt oder zerstört.
  • In Salzburg gilt seit 1999 das damals novellierte Salzburger Naturschutzgesetz. Für Tiere, Pflanzen und Pilze gibt es weitere Vorordnungen und Bescheide der Landesregierung.
  • Das Unionsziel des Renaturierungsgesetzes (eigentlich „Nature Restoration Law“) sind Wiederherstellungsmaßnahmen auf 20% aller geschädigten Naturlebensräumen an Land und im Meer bis 2030. Außerdem sollen bis 2030 insgesamt 25.000 Flusskilometer an freier Fließstrecke erreicht sowie 3 Milliarden zusätzliche Bäume gepflanzt werden. Die Verordnung ist Teil des europäischen Klimaschutzpaketes Green Deal, dessen Ziel ist, bis 2050 eine klimaneutrale EU zu schaffen.
  • Im Mai 2024 startete eine Petition für das Renaturierungsgesetz, die über 23.000 Stimmen erreichte. Daraus gründete sich der „Umsetzungsdialog Renaturierungsgesetz“. Der gemeinnützige und parteiunabhängige Zusammenschluss veranstaltet Infoabende, klärt online Falschmeldungen auf und geht Problemstellungen und Ängste von Betroffenen im Dialog an: https://www.renaturierungsgesetz.at/

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