Werkspost – der politische Salzburg-Kommentar
Baustelle Pressefreiheit

Über marode Dächer und das Potenzial freier Medien

Eine Werkspost von:

Natalija Traxler

30. April 2025

Ein Bahnhofsdach in Serbien in Trümmern – darunter 16 Menschen, die mit dem Leben bezahlen mussten. Kurze Zeit später: Eine brennende Diskothek in Mazedonien mit 59 Todesopfern. In beiden Fällen wurde Korruption im Bauwesen aufgedeckt. Allerdings zu spät für die Opfer. Grund dafür ist nicht zuletzt die eingeschränkte Pressefreiheit am Balkan, welche derartige Missstände im Dunkeln hält und oft erst möglich macht.

In Österreich sind solche Verhältnisse nicht denkbar. Unabhängige Medien gehören zu den großen gesellschaftlichen Errungenschaften. Zurecht gelten sie als eine wichtige Säule der Demokratie, welcher die Aufgabe zukommt, gesellschaftsrelevante Themen anzusprechen und kritisch zu beleuchten. Doch was ist, wenn diese Säule angesichts politischer und ökonomischer Herausforderungen zu bröckeln beginnt? Wie können österreichische Medien unabhängig arbeiten? Und welche Rolle spielen dabei sogenannte freie, nicht-kommerzielle Medien?

Österreichs Pressefreiheit unter Druck
Die internationale Vereinigung, Reporter ohne Grenzen, verzeichnete in ihrem jüngsten Ranking zur Pressefreiheit das bisher schlechteste Ergebnis für Österreich (Platz 32). Die Gründe dafür seien vielfältig, doch besonders betont wurde der mangelnde Einsatz politischer Entscheidungsträger, die „Vielfalt, Unabhängigkeit und Kraft der journalistischen Medien zu stärken“.

Entsprechendes zeichnete sich erneut bei den vergangenen Koalitionsverhandlungen 2024 zwischen FPÖ und ÖVP ab. Ein geleaktes Protokoll zeigte Pläne zur Einflussnahme auf Berichterstattung, zur Umstrukturierung der Medienförderung und zur Schwächung europäischer Standards, wie etwa der Bekämpfung von Desinformation. So sprach sich die FPÖ dagegen aus, Kriterien wie Faktentreue, Herkunft von Quellen und journalistische Sorgfalt zur Grundlage für Medien-Förderungen zu machen.

Mit dem Scheitern der Koalition atmeten viele journalistische Akteur*innen schließlich auf. Unter dem neuen Medienminister Andreas Babler keimt die Hoffnung, dass der medienpolitische Kurs in Österreich wieder demokratieverträglicher wird. Auch die Community Medien schauen hin – denn auch sie wären von den geplanten Kürzungen besonders hart betroffen gewesen. Obwohl Institutionen, wie beispielsweise der Europarat, die wichtige Rolle von Community Medien für die Wahrung der Meinungs- und Informationsfreiheit erkennen und Studien schon lange bezeugen, dass das Konzept nicht-kommerzieller Medien demokratiestärkend wirkt.

Das Potenzial Freier Medien
Freie Medien leisten einen wesentlichen Beitrag zur Meinungsvielfalt, geben marginalisierten Gruppen eine Stimme und vermitteln Medienkompetenz – und das abseits von Reichweiten-Logik. Sie ermöglichen gesellschaftliche Partizipation und sichern dabei journalistische Standards.
„Bei uns kann jede*r senden, aber das bedeutet nicht 'anything goes'“, schrieb Eva Schmidhuber, ehemalige Geschäftsführerin der Radiofabrik, als diese 2021 als erstes österreichisches Rundfunkunternehmen den Antrag auf medienethische Kontrolle durch den Presserat stellte. Damals war dieser nur für Zeitungen zuständig – heute unterziehen sich alle 14 Freien Radios und 3 Community TVs in Österreich der freiwilligen Selbstkontrolle durch den Presserat.

Auch ein Studie der österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und des Community Medien Instituts (COMMIT) bestätigt, dass freien Sendern ein hoher Public Value zukommt: „Sinnvoll wäre es, Medienförderung (…) auf eine effiziente Förderung demokratisch relevanter Medienqualität umzustellen“, ist Studienautor Matthias Seethaler überzeugt . Eine Orientierung an Public Values statt an Reichweite würde journalistische Qualität, Relevanz und Vielfalt ins Zentrum rücken – und damit die demokratische Funktion des Rundfunks erheblich stärken.

Feststeht, auch wenn medienpolitische Rückschritte in Österreich nun zumindest für diese Regierungperiode verhindert wurden, so braucht es trotzdem langfristig Maßnahmen, welche die Handlungsfähigkeit und das Bewusstsein für Freie (Community-) Sender stärken. Denn wenn freie Medien bröckeln, wankt mehr als ein Gebäudedach.

In der neuen Werkspost spricht Natalija Traxler (r.) mit Martin Wassermair (Reporter ohne Grenzen, dorfTV) (l.) und Sophie Huber-Lachner (FS1) (m.) über Community Medien.

Infobox:
Was sind Community Medien?
  • Seit Anfang der 1990er Jahre kämpfen engagierte Initiativen in Österreich für nicht-kommerzielle (Freie/Community-) Medien und damit für eine dritte Mediensäule, die heute neben öffentlich-rechtlichen und privaten Medien existiert.
  • Ihre Selbstverständnis ist in der Charta des Freien Rundfunks Österreich definiert (Offener Zugnag, Partizipation, Gemeinnützigkeit/Nicht-Kommerzialität, Transparenz, Lokalbezug, Unabhängigkeit/Journalistische Qualität, Andtidiskriminatorischer Anspruch).
  • Heute existieren 14 Freie Radios und 3 Community TVs in Österreich. Dort gestalten fast 2800 Personen im offenen Zugang ("jede.r kann mitmachen") Programm auf 41 Sprachen.
  • Es handelt sich um unabhängige, nichtkommerzielle Radios und Fernsehsender mit dem Ziel, einen Medienzugang für alle zu schaffen und über Themen zu berichten, die es oftmals nicht in die Berichterstattung etablierter Medien schaffen.
  • Community Medien bieten eine Plattformen für kritischen Journalismus, Ausbildung & Experimente..
  • Offiziell anerkannt sind Freie Medien mit der Novelle des Privatfernsehgesetzes 2001 und dem PrR-G (Privatradiogesetz)
  • Das RTR-Gesetz regelt die Förderung von privat-kommerziellem und nichtkommerziellem Rundfunk. Die jährlichen Mittel des nicht-kommerziellen Rundfunks sind vergleichsweise gering, aber essenziell für Betrieb und Weiterentwicklung.
Weitere Links:
  • Facts & Figures zum Public Value des nicht-kommerziellen Rundfunks: Public Value Bericht 2018
  • Der Media Pluralism Monitor zeigt für das österreichische Mediensystem seit Jahren dringenden politischen Handlunsgbedarf auf, um Medien- und Meinungsvielfalt und damit eine funktionierende Demokratie zu gewährleisten. Laut dem Bericht von 2024 besteht derzeit ein extrem hohes Risiko für den Verlust des Medienpluralismus. Zur Unterstützung der Marktvielfalt wird u.a. eine Stärkung des nicht-kommerziellen Mediensektors empfohlen.
  • Land der Freien Medien ist eine Publikation der Freien Medien in Oberösterreich und setzt sich mit medienpolitischen Fragen auseinander.

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