Werkspost – der politische Salzburg-Kommentar
Sozialpolitik

Sparen, Kürzen, Finanzierungsstopps

Umsichtige Sozialpolitik könnte das Leben vieler Menschen nachhaltig verbessern. Der vielbeschworene „soziale Ausgleich“ entpuppt sich aber allzu oft als leere Phrase. Sozial- bzw. gesundheitspolitische Missstände sind ein gefundenes Wahlkampf-Fressen, aber harren gleichzeitig konkreter Lösungen.
Eine Werkspost von:

David Mehlhart

08. Januar 2025
Kurzer Blick zurück: Im Vorfeld der Salzburger Landtagswahl im Frühjahr 2023 affichierten die Freiheitlichen Plakate in grellem Grün quer durchs Bundesland. Auf diesen war zu lesen: „1000 verschobene Operationen, 100 fehlende Ärzte und 1 Pflegeskandal. (Anm.: 2022 wurden in einem Pflegeheim in Salzburg-Lehen massive Missstände bei der Versorgung der Bewohner*innen publik.)“ Auf diese Feststellung folgte die rhetorische Frage: „Aber kein Geld für unsere Gesundheit?“ Um die Dramatik der Situation zu unterstreichen, wurde das Sujet mit einem erschöpft wirkenden Chirurgen bebildert, der sich verzweifelt die Hände auf die Stirn schlägt. Um sich als politische Kraft, die das Ruder herumzureißen vermag, zu positionieren, fragte die FPÖ auf dem Plakat die Betrachter*innen abschließend: „Weiter wie bisher?“

Knapp zwei Jahre später lässt sich ein erstes Zwischenfazit in puncto Gesundheits- und Sozialpolitik der schwarz-blauen Landesregierung ziehen. Die Freiheitlichen, die sich selbst den Werbeclaim verpasst haben, eine „soziale Heimatpartei“ zu sein, geben dabei keine allzu gute Figur ab. Die Liste der kontroversen Einsparentscheidungen und Verabsäumungen seitens des zuständigen Soziallandesrates Christian Pewny (FPÖ) wird dabei immer länger. Lautstarke Kritik inklusive. Den Community Nurses etwa droht der Finanzierungsstopp im Bundesland. An einem dringend benötigten Pflegeheim für ältere Menschen mit psychischen Erkrankungen, dem „Haus Bolaring“, will sich das Land nicht beteiligen. Zudem sind — Stand September 2024 — 531 Betten in den Salzburger Pflegeheimen aufgrund fehlenden Personals gesperrt. Knapp vor Weihnachten folgte dann die sozialpolitische Negativkirsche auf der Torte. Der Heizkostenzuschuss wurde von 600 € auf 250 € gekürzt.

Auf diesen massiven Einschnitt angesprochen, sagte die selbsternannte Vertreterin des kleinen Mannes, Marlene Svazek, Ende vergangenen Dezembers gegenüber Salzburg24, dass es sich bei den 600 € um einen einmaligen „Ausreißer“ handelte, der durch Bundesmittel ermöglicht wurde. Angesichts der weiterhin angespannten wirtschaftlichen Lage, die sich vor allem bei kleinen Einkommen bemerkbar macht, grenzt eine derart lapidare Aussage an Zynismus. Zumal die Landeshauptmann-Stellvertreterin im Zuge der Budgetverabschiedung ein paar Tage zuvor noch meinte, es gelte „in diesen harten Jahren […], die Menschen nicht zusätzlich zu belasten.“ Aber wer will schon nachtragend sein?

„Ausreißer“ oder politisches Kalkül?
Auf der Wahlkampfbühne vollmundige Versprechen machen und diese dann im Tagesgeschäft flugs brechen oder gar unter den Teppich kehren, ist wahrlich kein Charakteristikum der FPÖ. Dennoch offenbart dieses widersprüchliche Gebaren in Salzburg — einerseits der Anwalt der einfachen Frau, des einfachen Mannes zu sein und gleichzeitig munter den Rotstift anzusetzen — Grundsätzliches über die gegenwärtige politische Diskussion.

Das Aufgreifen sozialpolitischer Missstände eignet sich wie kein anderes Thema, um für die eigene Agenda Stimmung zu machen. Leicht lassen sich rein instrumentelle Neiddebatten heraufbeschwören, um Gruppe X gegen Gruppe Y auszuspielen. Kochende Emotionen und zum Bersten gefüllte Leserbriefseiten sind vorprogrammiert; konkrete Lösungen sind da maximal zweitrangig.

Zum anderen reitet man gekonnt auf der Welle des neoliberalen Tsunamis. „Leistung muss sich wieder lohnen“ lautet ein oft bemühter Stehsatz, dessen leidige Präsenz im öffentlichen Diskurs der Koalitionspartner ÖVP maßgeblich zu verantworten hat. Wer nichts leisten kann (aus welchen Gründen auch immer), steht von vornherein unter Generalverdacht, dem Staat genüsslich auf der Tasche zu liegen und ist genötigt, sich für jede noch so kleine Zuwendung zu rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, dort zu kürzen und zu sparen, wo man sich — wie im Falle des Heizkostenzuschusses oder des „Haus Bolaring“ — am wenigsten Gegenwehr erwartet.

In der neuen Werkspost spricht David Mehlhart mit

dem Rechts- und Politikwissenschafter

Nikolaus Dimmel über das Sozialsystem.

Infobox:
  • Community Nurses sind Gesundheitsfachkräfte, die sich auf die Pflege und Betreuung von Menschen auf Gemeindeeben konzentrieren und Patient*innen in ihrer gewohnten Umgebung aufsuchen. Ihr Arbeitsbereich umfasst nicht nur die direkte Pflege zu Hause, sondern auch präventive Gesundheitsmaßnahmen, Beratung und Unterstützung in verschiedenen sozialen und gesundheitlichen Belangen.
  • Im Falle von Salzburg handelte es sich bei den Community Nurses um ein von der EU mitfinanziertes Pilotprojekt. Die Mittel dazu liefen Ende 2024 aus.
  • 2023 veröffentlichte der Interviewgast Nikolaus Dimmel gemeinsam mit Alfred J. Noll das Buch “Recht. Kaputt. Eine Ruinenbesichtigung” (Bahoe Books / Wien). Darin zeichnen sie nach, wie soziale Ungleichheit im Lauf der letzten Jahrzehnte auch juristisch “verankert” wurde.

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