Werkspost – der politische Salzburg-Kommentar
Verkehrspolitik

Den Verkehr sozial denken

Meist werden für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, der Rad- und Fußgängerinfrastruktur Klima- und Umweltargumente ins Treffen geführt. Fallweise kommt als Argument für die Abkehr von der aufs Automobil fixierten Planung auch die Lebensqualität ins Spiel. Das alles ist richtig, greift aber zu kurz. Verkehrspolitik ist auch ganz wesentlich Sozialpolitik.
Eine Werkspost von:

Thomas Neuhold

22. Januar 2025
Was da im Sommer 2024 durch die Medien geisterte, klingt wie eine Meldung aus den 1950er-Jahren: Die FDP forderte, die deutschen Innenstädte für den motorisierten Individualverkehr attraktiver zu gestalten. Mehr Tempo durch grüne Wellen, Gratisparkplätze und vor allem nicht so viel Platz für das Rad oder für Menschen zu Fuß. Was auf den ersten Blick im 21. Jahrhundert völlig jenseitig wirkt, ist gut überlegt. Die schwächelnden deutschen Liberalen wollten so ihr Image bei ihrem Kernklientel aufpolieren.

Die FDP-Kernschichten sind männlich, freiberuflich, überdurchschnittlich verdienend und eben oft in überdimensionierten, PS-starken Autos unterwegs. Auch in den Städten. Was die FDP hier betreibt, riecht verdächtig nach dem guten alten Klassenkampf von oben: Freie Fahrt für die Reichen, weniger Platz für die wirtschaftlich Schwächeren.

Die vier „A“ der Verkehrspolitik
Stichwort Klassenkampf: Wie sehr Verkehrspolitik eine soziale Frage ist, zeigen die vier „A“ der Verkehrsplanung des öffentlichen Personennahverkehrs im städtischen Raum. Die vier „A“ meinen jene Bevölkerungsgruppen, die die große Mehrheit der Öffi-Passagiere ausmachen und die mehrheitlich auf ein funktionierendes Öffi-System angewiesen sind: Arme, Alte, Ausländer, Auszubildende (also Lehrlinge, Schüler und Schülerinnen, Studenten und Studentinnen). Die vier „A“ sind also jene Menschen, nach deren Bedürfnissen sich eine soziale Verkehrspolitik zu richten hätte. Wohlgemerkt: hätte.

An diesem – gar nicht zynisch gemeinten – Planungsgrundsatz ist sehr viel dran, wie uns die in der Vergangenheit immer wieder auftauchende O-Bus-Misere in der Stadt Salzburg deutlich vor Augen führt. Schon beim normalen Fahrplan im Zehn-Minuten-Takt glich die Fahrt mit einmaligem Umsteigen in der Stadt Salzburg oft einem Halbtagesausflug, man muss ja meist auch wieder zurück. Die beschönigend immer wieder als „Ferienfahrplan“ bezeichneten 15-Minuten-Intervalle auf den Hauptlinien verschärften die Situation dann noch zusätzlich. Gut, dass Rot-Rot-Grün damit Schluss machen will.

Ähnliches gilt für die Fahrradinfrastruktur. Wer ungünstig wohnt, also wer beispielsweise nicht schnell zu einem Salzachradweg kommt, muss oft große Umwege radeln, um einigermaßen sicher ans Ziel zu kommen. Anderenfalls müssen oft unfallträchtige, ja lebensgefährliche Hotspots passiert werden.

Sozialere Verkehrsplanung
Natürlich trifft ein marodes Bus-System, natürlich trifft ein löchriges Radwegenetz in erster Linie jene, die auf diese Verkehrsmittel angewiesen sind. Der SUV-Pilot steht eben nicht jeden Morgen an einer nicht überdachten, unbeleuchteten Haltestelle und muss auf einen Bus warten, der seinerseits im Auto-Stau steht. Klimapolitik, CO2-Bilanz, innerstädtische Lebensqualität sind alles wichtige Argumente für den Ausbau des Öffi-Netzes, für den Ausbau der Rad- und Fußgängerinfrastruktur. Das soziale Element der Mobilität inklusive Tarifgestaltung ist mindestens so wichtig und gehört in den Planungsüberlegungen weitaus stärker berücksichtigt als bisher.

In der neuen Werkspost spricht Thomas Neuhold mit Peter Weiss darüber, warum Verkehrspolitik auch Sozialpolitik ist.

Was versteht man unter Mobilitätsarmut?
Wer über die soziale Komponente der Verkehrspolitik spricht, kommt am Begriff Mobilitätsarmut nicht vorbei. Es ist bezeichnend, dass Planung, Forschung und Wissenschaft zu diesem Thema erst am Anfang stehen; eines wird aber schnell klar: Mobilitätsarmut ist weit mehr als nur eine Frage der Tarife oder der Gratis-Öffis.
Im Kern gliedert sich das Thema Mobilitätsarmut in vier große Abschnitte, die sich teilweise überschneiden und/oder auch ausschließen. Bei manchen Themen gibt es ein enormes Stadt-Land-Gefälle, bei anderen ist es genau umgekehrt.
  1. Verkehrsarmut: Schlechte Öffi-Anbindung, schlechte Taktung gehören hier ebenso dazu, wie die hohe Autoabhängigkeit am Land.
  2. Kosten: Hier geht es um zu hohe Öffi-Tarife, zu geringe Einkommen und fehlende soziale Unterstützung.
  3. Erreichbarkeitsarmut: Wenig schnell erreichbare Nahversorger, lange Fahrzeiten zu wichtiger Infrastruktur wie medizinische Grundversorgung, fehlende Barrierefreiheit.
  4. Verteilung der Belastungen: Hohe Umweltbelastung durch den Verkehr in dicht bebauten Gebieten (Lärm, Abgase), hohe Unfallzahlen an Hotspots, verstärkte Auswirkungen der Klimakrise.

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