Werkspost – der politische Salzburg-Kommentar
Alibi-Vogelschutz in Salzburg

Salzburg schießt den Vogel ab

Statt Vogelexpert*innen bei der Konfliktlösung mit bestimmten Vogelarten miteinzubinden, lässt sie die Salzburger Landesregierung bewusst außen vor. Eine Verordnung zum Abschuss dieser Vögel basiert auf fehlendem Fachwissen, veralteten Daten, Selbstkontrolle und einer Umsetzung, die EU-rechtswidrig sein könnte.
Eine Werkspost von:

Flora Platzer

20. März 2024
Landesweit geraten derzeit geschützte Vögel ins Visier der Politik: Rabenkrähen, Eichelhäher, Elstern, Graureiher und Kormorane sollen zugunsten der Land- und Fischwirtschaft und – man glaubt es kaum – des Artenschutzes geschossen werden. Mit nur einer Woche Begutachtungsfrist ist die neue Vogelabschussplanverordnung Ende Februar in Kraft getreten. Sie gilt bis Ende 2025. Über 5.500 Vögel werden als Höchstabschusszahlen freigegeben. Laut Salzburger Landesumweltanwaltschaft, der Vogelschutzorganisation Birdlife und dem Salzburger Naturschutzbund hält sich die Verordnung aber weder an die Aarhus-Konvention noch die EU-Vogelschutzrichtlinie.

Seit der Umsetzung der Aarhus-Konvention 2006, die die Mitsprache anerkannter Naturschutzorganisationen in Umweltverfahren sichert, wurden Vogelabschüsse in Österreich per Bescheid erlassen. Gegen Bescheide konnten Naturschutzorganisationen Beschwerde einreichen. Bei Verordnung geht das nicht mehr. Nur unmittelbar Betroffene können vor Gericht ziehen. Gegen Österreich laufen bereits Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung der Aarhus-Konvention.

Widerspruch zum Naturschutz
Die fünf Vogelarten sind außerdem EU-rechtlich geschützt. Nur wenn es bestimmte gravierende Gründe für den Abschuss gibt, ein guter Erhaltungszustand der Art garantiert ist und keine gelinderen Mittel möglich sind, darf begrenzt geschossen werden. Für alle Ausnahmen fehlt in der Verordnung aber eine Begründung nach wissenschaftlichen Standards.

Den Vogelarten wird angelastet, massive Schäden an Natur- und Kulturlandschaft zu verursachen. Belege dafür, dass bisherige Abschüsse zur Konfliktbewältigung beigetragen haben, fehlen. Für das Artensterben können Raben- und Wasservögel nicht verantwortlich gemacht werden. Lebensraumverlust, Verbauung, intensive Landwirtschaft und das durch Pestizide verursachte Insektensterben sind unter und über Wasser die Ursache.

In der Verordnung wurden auch die Artbestände eingeschätzt. Bei Graureiher und Kormoran sind die Zahlen aber mehr als doppelt so hoch wie die von Birdlife. Bei Brutpaaren wurden fast 20 Jahre alte Daten herangezogen. Um Bestandsgefährdungen zu verhindern, müssen Jäger- und Fischer*innen künftig Zählungen machen. Dass man das den Personen überlässt, die die Abschüsse fordern, wird wohl gern in Kauf genommen.

Abschussalternativen gibt es. Ufervegetation bietet Fischen Schutz vor Reihern. Hagelabdeckungsplanen schützen Siloballen vor Rabenkrähen. Schäden auf Feldern lassen sich leicht vermeiden, wenn man ein brütendes Krähenpaar ansiedelt, das ihr Revier vor den Jungvogeltrupps verteidigt.

Durch Abschüsse geraten Ökosysteme aus den Fugen, denn Arten hängen zusammen. Zum Beispiel fressen die bejagten Vögel viele Mäuse. Die Jagd auf den Eichelhäher hat außerdem fatale Folgen für den Baumbestand. Der Wächter des Waldes lebt in Symbiose mit Eichen. Er verteilt und vergräbt bis zu 5000 Eicheln jährlich. Er wird aber nicht als Bereicherung für den Wald, sondern vor allem als Trophäe geschätzt. Ein Schelm, wer bei den hohen Abschusszahlen Böses denkt.

In der neuen Werkspost spricht Flora Platzer mit Christine und Reinhard Medicus von Birdlife Salzburg über den Salzburger Alibi-Vogelschutz.

Infobox:
  • Laut Vogelabschussplanverordnung dürfen genau 3625 Rabenkrähen, 1185 Eichelhäher, 560 Elstern, 114 Kormorane und 97 Graureiher in Salzburg geschossen werden.
  • Die Jagdstatistik der Statistik Austria gibt an, dass österreichweit 104 600 Vögel im Jagdjahr 2022/23 geschossen wurden. Wie viele davon Rabenkrähen, Eichelhäher, Elstern, Graureiher und Kormorane sind, ist nicht angegeben.
  • Derzeit sind Jagdgesetze Ländersache. Der ökologische Jagdverband, der Verein Tierschutz Austria, die AG Wildtiere und der Verein gegen Tierfabriken setzen sich mittels Volksbegehren für ein Bundesjahggesetz ein, das Tierschutzstandards entspricht und ökologischer ist. Damit soll auch die Jagd auf Vögel stark reduziert werden.

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