Werkspost – der politische Salzburg-Kommentar
Genderdebatte

Sprache ist Ausdruck der Gesinnung

Die Debatte um eine gendergerechte Sprache erinnert frappant an die Diskussion um das Frauenwahlrecht vor einhundert Jahren. Etwas mehr Gelassenheit täte der Sache selbst trotzdem gut.
Eine Werkspost von:

Thomas Neuhold

07. Februar 2024
Als Justizministerin Alma Zadić (Grüne) Mitte 2023 einen Gesetzestext vorlegte, der ausschließlich in weiblicher Form gehalten war, war die Empörung in den diversen reaktionären Echokammer „sozialer“ Medien groß. Männer waren im Text für das Flexible-Kapitalgesellschafts-Gesetz eben nur mitgemeint. Ja, warum eigentlich nicht? Frauen sind ja auch seit Jahrhunderten immer nur mitgemeint.

Dass die Genderdebatte in schöner Regelmäßigkeit hochkocht, verwundert nicht. Um es mit Kurt Tucholsky zu sagen: „Sprache ist stets Ausdruck einer Gesinnung.“ Die Gegner und Gegnerinnen des Genderns hängen in ihrer überwiegenden Mehrheit einer zutiefst rückwärtsgewandten Weltsicht nach. Sie hätten vor einhundert Jahren wohl auch gegen das Frauenwahlrecht argumentiert und/oder gehetzt, so wie sie heute gegen Sternchen & Co mobil machen. Die ganze Debatte ist eben ein Konflikt zwischen Fortschritt und Rückschritt; bei Zweiterem wird der Frau die dienende, die mitgemeinte Rolle zugewiesen.

Etwas Gelassenheit bitte
So weit, so einfach? Nicht ganz. Die deutsche Schauspielerin, Antifaschistin und Feministin Iris Berben hat in einem Interview in der Tageszeitung „Der Standard“ im Dezember vergangenen Jahres gewarnt, das „verordnete Gendern“ sei kontraproduktiv. Zitat: „Wenn wir aus einer intellektuellen Blase heraus vorgeben, wie jemand zu reden hat, werden wir die, die wir erreichen wollen, nicht erreichen.“

An dem ist was dran. Sprache ist in permanenter Entwicklung; Verbote oder auch Gebote setzen sich in der Sprache selten durch. Im Gegenteil: Verbote oder Gebote verleiten zu Renitenz und Widerstand auch bei jenen, die der Sache grundsätzlich positiv gegenüberstehen. Iris Berben mahnt zur Besonnenheit, das Gendern werde zur Gewohnheit werden.

Alte, weiße Männer
Bei allem Verständnis für die Ungeduld mancher: Es wäre manchmal wirklich hilfreich, wenn die Genderfraktion mit etwas mehr Gelassenheit durchs Leben ginge und nicht gleich hinter Jeder und Jedem, die oder der nicht durchgehend gendert, den inzwischen sprichwörtlich gewordenen Alten-Weißen-Mann wittert. Denn ob sich Wortungetüme wie „Radfahrende“, das flippige Sternchen „Radfahrer*innen“ oder doch das konservativ ausgeschriebene „die Radfahrer und Radfahrerinnen“ durchsetzt, wird ohnehin eher in der Alltagssprache entschieden werden als im akademischen Diskurs.

In der neuen Werkspost spricht Thomas Neuhold mit mit Uta Degner, Vorsitzende des Gender-Expert*innenrates der Universität Salzburg.

Infobox:
  • Aktuell sind viele verschiedene Varianten des Genderns im Umlauf. Die gebräuchlichsten sind: Arbeiter*innen, ArbeiterInnen, Arbeiter_innen, Arbeiter:innen, der/die Arbeiter/in, Arbeiter und Arbeiterinnen, die Arbeitenden.
  • Die Genderdebatte ist noch relativ jung: Noch vor 40 Jahren (1984) legte die Duden-Grammatik die generische Maskulinform als verallgemeinernde Form fest; Frauen waren also mitgemeint. Die weibliche Form war nur zu verwenden, wenn etwa bei Berufsbezeichnungen ausschließlich Frauen gemeint waren. Erst Anfang der 2020er-Jahre beginnen einige große Medienhäuser in Deutschland und Österreich sowie wichtige Nachrichtenagenturen mit Maßnahmen, um diskriminierungssensibler zu schreiben.
  • Eine von der Tageszeitung „Der Standard“ 2023 veröffentlichte Umfrage (Gallup/2000 Befragte ab 16, September-Oktober 2023) ergibt, dass 61 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen gegen eine verpflichtende gendergerechte Sprache (Sternchen, Doppelpunkt) in der öffentlichen Verwaltung sind. Nur 14 Prozent sind explizit für die gendergerechte Sprache. 25 Prozent ist die Frage gleichgültig. Ende Jänner dieses Jahres sprach sich dann Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) für ein Genderverbot mit Sternchen oder Doppelpunkt in der öffentlichen Verwaltung, an Schulen und an Universitäten aus; allein die ausgeschriebene Doppelnennung (Schüler und Schülerinnen) soll zulässig bleiben.

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