Werkspost – der politische Salzburg-Kommentar
Obdachlosigkeit in Salzburg

Obdachlosigkeit in Salzburg:

Kalte Herzen merkt man insbesondere in kalten Monaten

Jedes Jahr wird zur Weihnachtszeit das Thema „Obdachlosigkeit“ diskutiert – und jedes Jahr gibt es allen Grund dazu. Denn trotz aller Versprechen auf unterschiedlichen Ebenen besteht das Problem nach wie vor.
Eine Werkspost von:

Konstantin Schätz

13. Dezember 2023
Es ist wieder diese Zeit im Jahr: Im Radio ist immer öfter das Lied „Last Christmas“ von dem englischen Popduo „Wham!“ zu hören – bis einem die Ohren bluten. Die Anzahl der Weihnachtsmarkt-Verabredungen mehren sich – bis einem vor lauter Zucker der Mund klebt. Und in den Medien wird zunehmend darauf hingewiesen, dass es auch in Städten wie Salzburg Armut bis hin zur Obdachlosigkeit gibt. Richtet man sich nur nach der Medienberichterstattung (an dieser Stelle ist Selbstkritik angebracht) und verschließt ansonsten ganzjährig die Augen, wenn man durch Salzburg geht, könnte gar ein Eindruck entstehen: Menschen werden immer erst dann obdachlos, wenn in der Innenstadt die Glitzer- und Funkeldekoration aufgehängt wird. Dass das nicht der Fall ist, ist kaum der Erwähnung wert. Doch wenn die Temperaturen unter null Grad fallen und die Wärme des Glühweins nachlässt, kommt vielen unweigerlich der Gedanke: Was wäre, wenn ich jetzt nicht in meine warme Wohnung flüchten könnte? Aber Armut und Obdachlosigkeit sind kein saisonales Problem.

80 bis 140 Menschen seien im Jahresdurchschnitt in Salzburg obdachlos, sagt Torsten Bichler. Als Bereichsleiter für Soziale Arbeit bei der Caritas hat er einen Überblick, wie viele Menschen von Obdachlosigkeit bedroht oder sogar betroffen sind. Bei fast 160.000 Einwohnerinnen und Einwohnern mag diese Zahl nicht sonderlich hoch wirken. Berücksichtigt man allerdings, dass man in der Stadt von 2500 bis 3600 leerstehenden Wohnungen ausgeht (eine genaue Zahl wie in Innsbruck wird in Salzburg nicht erhoben), sind das 80 bis 140 Menschen zu viel. Hinzu kommen 1557 Menschen, die laut aktueller Wohnbedarfserhebung von akuter Wohnungsnot betroffen sind und bei Freunden oder Familienangehörigen, in sozialen Einrichtungen oder in Pensionszimmern unterkommen müssen. Darunter sind auch 371 Kinder und Jugendliche.

Ein positiver oder negativer Trend sei derzeit nicht festzustellen, verrät Bichler in der neuesten Podcast-Folge. Über einen langen Zeitraum betrachtet, bleibt die Anzahl der obdachlosen Menschen in der Landeshauptstadt konstant. Ein Grund zur Freude ist das nicht und schon gar kein Grund für die Politik, sich zurückzulehnen. Denn die Auslöser, wieso bald mehr Menschen davon betroffen sein könnten, nehmen zu – auch wenn Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer das indes anders zu sehen scheint, wie kürzlich getätigte Äußerungen vermuten lassen. Steigende Mietpreise, zu wenige städtische Sozialwohnungen, steigende Lebensunterhaltskosten… In der Werkspost-Folge vom November zum Thema Wohnungsnot wurden viele Gründe angesprochen. Der Trend, dass die Zahlen konstant bleiben und es nicht mehr werden, muss also nicht so bleiben. Die viel wichtigere Frage ist aber ohnehin: Sollte es nicht in eine andere Richtung gehen?

Für alle, die es genauer wissen wollen:

Torsten Bichler, Bereichsleiter Soziale Arbeit, Beschäftigung & Solidarität bei der Caritas Salzburg,

im Werkspost-Gespräch.

Auf unterschiedlichen Ebenen wird immer wieder betont, dass man Obdachlosigkeit bekämpfen und sogar besiegen wolle. Die Europäische Union setzte sich dazu das Jahr 2030 als Ziel. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz bzw. die Bundesgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (Bawo) macht sich das gar bis 2025 zum Ziel. Und in Salzburg? 2015 ging sie als erste Stadt Österreichs in die Geschichte ein, die ein sektorales Bettelverbot erließ – der VfGH wies dieses Jahr eine Beschwerde gegen das Bettelverbot ab. Das Verbot bleibt also erhalten. 2016 spielte der damalige Vizebürgermeister Harald Preuner – heute Bürgermeister – mit dem Gedanken, Bänke am Bahnhofsplatz abmontieren zu lassen. Das Herumlungern sollte damit beendet werden, um Reisenden kein falsches Bild von Salzburg zu vermitteln, wie es hieß. 2019 mussten Obdachlose Strafen zahlen, weil sie im November im Volksgarten schliefen. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass auch in Salzburg Armut bekämpft wird – nur eben anders.

Freilich gibt es auch weniger schlechte, vielleicht sogar gute Nachrichten. Zum Beispiel, dass der Verein VinziWerke das Erfolgsmodell „Housing First“ umsetzt, durch das in Finnland seit dem Jahr 2008 die Obdachlosigkeit halbiert werden konnte (auch das wurde im Werkspost Podcast vom November erklärt). Auch dass es mittlerweile so viele Notschlafstellen in Salzburg gibt, dass theoretisch niemand draußen schlafen müsste, sind gute Nachrichten.

Es ist aber noch Einiges zu tun, bis der besagte Weihnachtswunsch Wirklichkeit wird. Expertinnen und Experten wie Torsten Bichler sind indes nur verhalten optimistisch. Er wünscht sich, dass das Thema Armut und Obdachlosigkeit in der Politik weniger ein Jonglieren mit Zahlen ist, sondern die Menschen, die hinter den Zahlen stehen, in den Mittelpunkt gerückt werden.

Im Übrigen: Armut und Wohnungsnot können einen schneller bedrohen, als man meint. Insbesondere wenn eine Krise die nächste auslöst: Trennungen, Kündigungen, Krankheit. Die Gründe können vielfältig sein. Der Film „Die Glücksritter“ mit Eddie Murphy und Dan Aykroyd erinnert daran in weihnachtlicher Manier. Wem also die Ohren von Weihnachtsliedern klingeln: Radio ausschalten und Weihnachtsmarkt-Pläne in einen Filmabend umwandeln. Denn auch zuhause lässt sich der Mund mit Glühwein zukleben. Wagt man sich hingegen in die Kälte, um das weihnachtliche Ambiente zu genießen und man sieht eine betroffene Person, rät die Caritas:
  1. Ansprechen und fragen, ob Hilfe benötigt wird.
  2. In Notfällen unbedingt die Rettung rufen (Tel: 144).
  3. Für konkrete Hilfe, kontaktiert das Caritas Kältetelefon (0676/848210-65)

Teile diese Werkspost

custom custom custom custom custom custom custom 

Feedback

Wie hat dir diese Werkspost gefallen?

Sehr gut |Gut |Geht so |Gar nicht
Bisherige Ausgaben der Werkspost.
Zu welchem Salzburg-Thema möchtest du einen Werkspost-Kommentar lesen?
Wenn dir dieser Newsletter weitergeleitet wurde kannst du ihn hier kostenlos abonnieren.