Werkspost – der politische Salzburg-Kommentar
Straßennamen in Salzburg

Karajans langer Schatten

Damit die Nazi-Ehrungen in Salzburg ein Ende finden, müssten entweder die Salzburger Festspiele über Karajans Schatten springen oder SPÖ, KPÖ und Bürgerliste ihre Gemeinderatsmehrheit konsequent nutzen.
Eine Werkspost von:

Thomas Neuhold

03. April 2024
Die Stadt Graz tut es. Linz tut es. Auch in vielen deutschen Städten steht die Neubenennung von Straßen auf der Agenda, die die Namen ehemaliger Nazi-Größen oder von Nazi-Helferleins tragen. Und in Salzburg? In der Landeshauptstadt sind nach wie vor mehr Straßen und Plätze nach Nationalsozialisten benannt als nach Frauen. So ist das eben im „Mustergau“.

Da konnte auch eine eigens eingesetzte historische Kommission nicht helfen. Für mehr als ein paar mickrige Erklärtaferl hat es nicht gereicht – nicht einmal bei den insgesamt 13 hochbelasteten NS-Namenspatronen, die von einer von der Stadt eingesetzten Historiker*innen-Kommission zur Umbenennung vorgeschlagen worden sind.

Warum gerade die Stadt Salzburg so penetrant an der Nazi-Ehrung im öffentlichen Raum festhält, ist gar nicht so einfach zu erklären. Es ist eine Gemengelage. Diese reicht von der NS-Kontinuität nach 1945 bis hin zu den ideologisch verhaltensauffälligen Figuren in der ÖVP-Riege. Dazu gehört auch das von der SPÖ mit Blick auf die Alt-Nazi in den eigenen Reihen jahrzehntelang betriebene „Hin- und Rücksichtl“ und die Schwurbelei diverser Hobby-Historiker vom „Geschichte nicht auslöschen“.

Dieses Nicht-Auslöschen ist übrigens eine besonders „spezielle“ Argumentation: Nach dieser Logik müsste der Makartplatz bis heute Adolf-Hitler-Platz und/oder Engelbert-Dollfuß-Platz heißen. Tatsächlich aber ist die Benennung einer Straße, eines Platzes, eines Parks, einer Wohnsiedlung oder beispielsweise auch einer Institution nach einer Person immer eine Ehrung eben dieser Person. Ein Straßenname ist eben nicht „die Geschichte“ sondern ein gesellschaftliches Danke, eine Huldigung.

Dass die Ehrung von Nazis in Salzburg in der bekannten Penetranz andauert, liegt auch an der größten Kultureinrichtung im Land. Den Salzburger Festspielen gilt Herbert von Karajan ja bis heute als Lichtgestalt. Wenn kümmert es da, dass Karajan Nationalsozialist war und von der Geschichtskommission der Stadt Salzburg als hochbelastet eingestuft wurde. Da fürchten wohl einige einen Dominoeffekt: Werde auch nur eine der 13 von der Kommission zur Umbenennung vorgeschlagenen Straßen tatsächlich neu benannt, dann komme früher oder später auch der Karajan-Platz im Festspielbezirk an die Reihe. Nazi hin, Nazi her, dass die Festspiel-Ikone einen Kratzer abbekommt, das gilt es zu verhindern.

Es wäre also an den Salzburger Festspielen klar zu sagen, dass die unreflektierte Karajan-Verehrung ein Ende finden muss und der Karajan-Platz beispielsweise nach einer verfolgten jüdischen Künstlerin benannt werden solle. Das ist bis auf weiteres aber mit Sicherheit weder vom Kuratorium noch vom Direktorium zu erwarten. Also muss die neue politische Mehrheit im Gemeinderat in die Gänge kommen. Dass der neue Gemeinderat am 8. Mai – dem Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus – angelobt wird, böte hierfür auch eine passende Symbolik.

Im neuen Werkspodcast spricht Thomas Neuhold mit Historiker Andreas Praher (Universität Salzburg).

Infobox:
  • In der Stadt Salzburg gibt es 1156 mit Namen versehene Verkehrsflächen. 526 Straßen und Plätze sind nach Orten, Siedlungen, Tieren oder Pflanzen benannt, 64 nach Familien, Personen- oder Berufsgruppen. 566 Straßen und Plätze sind nach Einzelpersonen benannt.
  • 44 dieser Einzelpersonen waren nachweislich Mitglieder der NSDAP. Bei 36 davon konnten bisher Mitgliedsnummer und Beitrittsdatum eruiert werden. 6 Personen waren Parteianwärter, 16 Personen waren keine Parteimitglieder, ihre Verstrickungen in das NS-System sind jedoch bekannt.
  • Zum Vergleich: In der Landeshauptstadt sind 36 Straßen nach Frauen benannt.
  • In Summe sind es in der Stadt Salzburg 66 Nazi-Straßennamen. 13 von ihnen sind laut Historiker*innen-Kommission der Stadt Salzburg hochbelastet. In alphabetischer Reihenfolge:
Kuno Brandauer, Volkskundler und Obmann des Landestrachtenverbandes.
Heinrich Damisch, Musikschriftsteller und Mitbegründer der Salzburger Festspiele.
Herbert von Karajan, Dirigent.
Erich Landgrebe, Schriftsteller und Maler.
Hans Pfitzner, Komponist und Dirigent.
Ferdinand Porsche, Konstrukteur.
Tobias Reiser, Volksmusikant und Kulturfunktionär.
Gustav Resatz, bildender Künstler.
Franz Sauer, Domorganist und Mozarteum-Professor.
Erich Schenk, Musikwissenschafter und Universitätsprofessor.
Hans Sedlmayr, Kunsthistoriker und Universitätsprofessor.
Josef Thorak, bildender Künstler.
Karl Heinrich Waggerl, Schriftsteller.

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